Erzbistum Köln
.
Qualitätsstandards zur Kooperation katholischer Träger mit Offenen Ganztagsgrundschulen im Erzbistum Köln
Vom 10. November 2008
ABl. EBK 2008, Nr. 258, S. 281
#Präambel
1 Im Mittelpunkt aller Überlegungen zur Umsetzung von Ganztagsschulkonzepten muss das Wohl der Kinder stehen. 2 „Und er stellte ein Kind in ihre Mitte!“ (Mk 9,36) – diese unmissverständliche Positionierung Jesu prägt das Programm und formuliert den Anspruch kirchlicher Kinder- und Jugendpastoral bis heute.
3 Dies gilt selbstverständlich auch für alle Kooperationen zwischen Trägern der katholischen Kinder- und Jugendhilfe, sowie Kirchengemeinden und Ganztagsgrundschulen. 4 Für die katholische Kirche zählt die Familie zu den kostbarsten Gütern der Menschheit (FC 1)1#. 5 Für sie liegen „Rechte und Pflichten der Erziehung“ wesentlich bei den Eltern. 6 Diese können anderen nicht völlig übertragen, oder von anderen in „Beschlag“ genommen werden (FC 36, FC 40). 7 Der elterliche Erziehungsauftrag wird durch schulische und außerschulische Bildung ergänzt, aber nicht ersetzt. 8 Aufgabe der schulischen und außerschulischen Bildung ist es, Kindern Lernprozesse zu ermöglichen und sie zu erziehen. 9 Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule wie auch der der Jugendhilfe bleibt in vollem Umfang bestehen, ganz gleich ob die Schule als Halbtagsschule, ‚echte’ Ganztagsschule oder offene Ganztagsgrundschule geführt wird. 10 Die katholische Kirche stellt sich den veränderten gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. 11 Der flächendeckende Ausbau von Ganztagsgrundschulen ist politisch gewollt und beschlossen. 12 Die Nachfragezahlen von Seiten der Eltern zeigen einen großen Bedarf an diesen Angeboten. 13 Ausgehend von dieser Realität ist es notwendig, dass sich sowohl die katholischen Kirchengemeinden mit ihren Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit, als auch die katholischen Träger in dieses Feld mit einbringen. 14 Insbesondere ist dort ein Engagement gefordert, wo Menschen aufgrund sozialer und anderer gesellschaftlicher Belastungen eine über eine Regelversorgung hinausgehende Unterstützung brauchen. 15 Die sich bereits jetzt abzeichnende Zukunft der ‚echten’ Ganztagsschule wird dabei perspektivisch eine große Herausforderung für die Pastoral im Erzbistum Köln darstellen. 16 Umso notwendiger ist ein vernetztes und kooperatives Agieren von Gemeinde-, Jugend- und Schulpastoral sowie Caritas.
17 Die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Trägern und Kirchengemeinden muss, zum Wohle der Kinder, von einer Qualität gekennzeichnet sein, die eine angemessene Entwicklung und Förderung der Kinder sicherstellt. 18 Mit dem Erlass dieser Qualitätsstandards legt das Erzbistum Köln fest, wie die Kooperationen und die Trägerschaften gestaltet werden sollen.
19 Grundlage aller Kooperationen sind die einschlägigen Rechtsvorschriften, sowie die Rahmenvereinbarungen zwischen den nordrhein-westfälischen (Erz-)Bistümern und den Diözesan-Caritasverbänden, sowie dem Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW, vom 23. September 2004 (Die Erlasstexte, Förderrichtlinien und weitere Informationen sind im Internet unter www.bildungsportal.nrw.de oder unter www.kirche-jugendhilfe-schule.de abrufbar).
####1. Allgemeine Rahmenbedingungen
- 1 Ganztagsgrundschulen, an denen sich katholische Träger beteiligen, sollen insbesondere katholische Grundschulen, aber auch solche Schulen sein, die den Trägern ein Engagement im Sinne ihres eigenen Profils und ihrer pastoralen Aufgabenstellungen ermöglichen. 2 Darüber hinaus sollen insbesondere Schulen in Stadteilen mit besonderen sozialen Problemlagen und hohen Anforderungen an das sozialpädagogische Handeln von den katholischen Trägern in den Blick genommen werden. 3 Gerade bei einer Kooperation mit solchen Schulen wird das Grundverständnis der Kirche vom diakonischen Handeln und dem Einsatz für benachteiligte Menschen besonders deutlich.
- 1 Im Geltungsbereich der offenen Ganztagsgrundschule entwickeln Schule und katholischer Jugendhilfeträger ein ganzheitliches Konzept, welches die gesamte Gestaltung des außerunterrichtlichen Bereiches (incl. Essensangebot) umfasst und die Förderung kognitiver und sozialer Kompetenz berücksichtigt. 2 Dieses Konzept ist Bestandteil des Schulprogramms.
- Bei der Raumplanung und der Ausstattung der Räume muss es frühzeitig zwischen dem katholischen Träger der Jugendhilfe und der Schule konkrete Absprachen geben.
- 1 Die notwendige Kooperation von Lehrern und sozialpädagogischem Personal bedarf der institutionellen Absicherung, zum Beispiel in der Schul- oder Lehrerkonferenz. 2 Darüber hinaus müssen verlässliche und „kurze“ Kommunikationswege, außerhalb der institutionalisierten Absprachen, entwickelt und festgelegt werden.
2. Pastorale Kriterien
- 1 Der Einsatz kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ganztagsgrundschule bedeutet Dienst der Kirche an den Menschen in der Schule, durch die konkrete Unterstützung des Einzelnen, wie auch im Sinne einer „gesellschaftlichen Diakonie“ innerhalb der subsidiären Strukturen unseres Staates. 2 Dieses Engagement ist für die gesamte Pastoral, insbesondere für die gemeindliche Kinder- und Jugendpastoral, ein wichtiges Handlungsfeld und in diesem Kontext in den Blick zu nehmen.
- 1 In der Verknüpfung von Kinder- und Jugendpastoral, Katechese, Gemeindepastoral und Schulpastoral liegt eine große Chance. 2 Bestehende katholische Angebote der Kinder-, Jugend- und Schulpastoral sollen auf die Möglichkeit einer Verknüpfung mit der Ganztagsgrundschule überprüft werden. 3 Mit Blick auf eine zukunftsfähige Pastoral ist es notwendig und sinnvoll sich im Bereich der Ganztagsgrundschule einzubringen und damit Erfahrungsräume (sowohl in zeitlicher als auch in lokaler Hinsicht) gelebten Glaubens und der Kirche auch in der Schule zu ermöglichen.
- 1 Die Kirchengemeinden sollten im Hinblick auf die pastoralen Chancen für die Kinder- und Jugendpastoral eine Nutzung ihrer Räume für die Angebote im Rahmen der Ganztagsgrundschulen ermöglichen. 2 Kostendeckende Nutzungsregelungen müssen im Rahmen eines Kooperationsvertrages vereinbart werden.
- 1 Pastorale Angebote, die Kirchengemeinden oder von ihr beauftragte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Offenen Ganztagsgrundschulen leisten, sind kostenlos. 2 Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Auftrag der Kirchengemeinden in der Ganztagsgrundschule tätig sind, müssen dies im Rahmen ihrer Dienstzeit einplanen. 3 Die Beantwortung der Frage, inwieweit katechetische Angebote im Rahmen der Ganztagsgrundschule einfließen sollen (z. B. Kommunionkatechese) bedarf einer theologisch fundierten Konzeption und einer jeweiligen Prüfung der Situation vor Ort.
- 1 Der Träger der Jugendhilfe strebt an, dass den Ganztagsschulkindern kirchliche Nachmittagsangebote außerhalb der Schule (Sakramentenkatechese, Messdienerarbeit, Jugendgruppenarbeit, Jugendverbandsarbeit) zugänglich sind. 2 Ist dies nicht möglich, muss überprüft werden, inwieweit die bisherigen Angebote direkt oder indirekt in die Ganztagschule integriert werden können.
3. Anforderungen an das pädagogische Konzept
- Die pädagogische Konzeption muss die notwendige Zusammenarbeit der Fachkräfte der Schule und der Jugendhilfe sichern.
- Das pädagogische Konzept stellt dar, wie eine ganzheitliche Förderung aller teilnehmenden jungen Menschen, unabhängig von ihrer Leistungsfähigkeit und eventuellen Beeinträchtigungen im Rahmen der Ganztagsbetreuung erreicht werden soll.
- Das pädagogische Konzept beschreibt, wie der Träger der Jugendhilfe und die Schule gemeinsam sicherstellen, dass die Erledigung schulischer Pflichten (wie z. B. Hausaufgaben) im Rahmen des Kooperationsangebotes qualifiziert erfolgen kann.
4. Qualitätsstandards
- 1 Da der Einsatz kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ganztagsgrundschule Dienst an den Menschen in der Schule bedeutet und damit immer auch Zeugnis-Charakter hat, muss dieser Anspruch im besonderen Profil kirchlicher Trägerschaften erkennbar sein. 2 Dabei ist es für die katholischen Träger selbstverständlich, dass dies mit Respekt und Akzeptanz gegenüber anderen Kulturen und Religionen geschieht. 3 Sowohl bei der Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im täglichen Einsatz vor Ort als auch bei der Reflexion werden vorgenannte Grundsätze bedacht.
- Es muss gewährleistet sein, dass die Kinder je Gruppe eine sozial-pädagogische Fachkraft, in der Regel sollte dies von der Qualifikation mindestens eine Erzieherin / ein Erzieher sein, als feste Bezugsperson haben.
- Darüber hinaus kann der Träger qualifiziertes Ergänzungspersonal (z. B. ehrenamtlich tätige Personen, Eltern, Übungsleiterinnen und Übungsleiter im Sport, Praktikantinnen und Praktikanten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Freiwilligen sozialen Jahr und Studentinnen und Studenten) einsetzen.
- Die sozialpädagogischen Fachkräfte müssen im Rahmen unbefristeter Arbeitsverhältnisse, zumindest über den Zeitraum eines Schuljahres, zur Verfügung stehen und Kontinuität gewährleisten.
- 1 Alle in der Offenen Ganztagsgrundschule beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen aus- und weitergebildet werden. 2 Für die katholischen Träger stellt das Qualifizierungsprogramm „SchulTag“ den verbindlichen Mindestqualifikationsrahmen dar.
- 1 Der Träger garantiert, dass alle Kinder mittags eine warme Mahlzeit erhalten können. 2 Diese Mahlzeit muss in entsprechender Atmosphäre gemeinschaftlich eingenommen werden.
- 1 Je Gruppe muss nach Möglichkeit ein eigener Raum mit entsprechender Ausstattung vorhanden sein. 2 Zur Erledigung der Hausaufgaben ist ggf. ein weiterer Raum mit entsprechender Ausstattung und der nötigen Ruhe, notfalls auch gruppenübergreifend vorzuhalten.
- 1 Die Öffnungszeiten richten sich nach dem Bedarf der Familien und der Unterrichtsorganisation. 2 Sie erstrecken sich unter Einschluss der allgemeinen Unterrichtszeiten in der Regel an allen Unterrichtstagen von spätestens 8 Uhr bis 16 Uhr, bei Bedarf auch länger. 3 In den Ferien werden Freizeit- und Betreuungsangebote organisiert (evtl. schulübergreifend).
- 1 Die Kinder haben im Rahmen der Betreuung die Möglichkeit, sich nach ihren Interessen frei für Angebote zu entscheiden. 2 Dies ist notwendig, um das unerlässliche Prinzip der Freiwilligkeit aufrechtzuerhalten.
- Sie werden bei allen relevanten Fragen beteiligt, zum Beispiel bei der Gestaltung von Räumen.
- 1 Der Träger bietet den Erziehungsberechtigten angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten. 2 Darüber hinaus strebt er eine intensive Zusammenarbeit im Sinne der Kinder an.
5. Rechtliche Anforderungen
- 1 Der Schulträger und der kirchliche Träger schließen einen Kooperationsvertrag. 2 Die in diesem Schreiben genannten Standards müssen bei der Ausarbeitung des Kooperationsvertrages beachtet werden.
- Auch außerhalb des Schulgebäudes stattfindende nachmittägliche Angebote im Rahmen der Offenen Ganztagsgrundschule gelten versicherungsrechtlich als Schulveranstaltung.
- 1 Die Dienst- und Fachaufsicht über das im Rahmen der Offenen Ganztagsgrundschulen angestellte Personal liegt beim Träger der Jugendhilfe. 2 Der Träger stellt sicher, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unfall- und haftpflichtversichert sind.
- Die Schule trägt Sorge für die Transparenz der schulrechtlichen Aspekte für die außerschulischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (z. B. Aufsichtspflicht).
6. Innerkirchliches Verfahren
1 Grundlage einer gelingenden Zusammenarbeit ist eine funktionierende Kooperation möglichst Vieler, die an der Erziehung und Bildung junger Menschen mitwirken. 2 Dabei sind es nicht nur die Jugendhilfeträger und die Schulen, die kooperieren müssen, sondern auch die Kirchengemeinden und Seelsorgebereiche mit ihrem pastoralen Angebot für Kinder und Familien. 3 Aus diesem Grunde sind in allen Regionen des Erzbistums Netzwerke entstanden, die diese Aufgaben übernehmen sollen. 4 In den regionalen Netzwerken sollen, unter der koordinierenden Leitung der Fachstellen für Jugendpastoral und Jugendhilfe, alle kirchlichen Träger eng zusammenarbeiten und Informationen über die Entwicklung in der jeweiligen Region austauschen2#.
- Im Erzbistum Köln liegt die Verantwortung für die Vernetzung und Koordination des Engagements in der Offenen Ganztagsgrundschule bei der Abteilung Jugendseelsorge.
- 1 Unter ihrer Federführung ist innerhalb des Generalvikariates eine Querschnittsgruppe mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus verschiedenen Hauptabteilungen eingesetzt worden. 2 Diese Gruppe koordiniert die Anliegen der einzelnen Abteilungen und entwickelt gemeinsame Positionen.
- 1 Innerhalb der Regionen des Erzbistums Köln übernehmen regionale Netzwerke und Steuerungsgruppen, in der Regel auf Ebene der Stadt- bzw. Kreisdekanate, die Verantwortung für die Abstimmung, Koordinierung und Steuerung der regionalen Aktivitäten. 2 Die Leitung der Steuerungsgruppen bzw. der Netzwerke liegt in der Verantwortung der Referentinnen und Referenten für Jugendhilfe und Schule der katholischen Fachstellen für Jugendpastoral und Jugendhilfe.3 Aufgaben dieser Netzwerke sind unter anderem:
- die Abstimmung über mögliche Trägerschaften, um Konkurrenzsituationen zu vermeiden,
- die Einbindung pastoraler Angebote aus den Gemeinden/Seelsorgebereichen in Form von Angebotsträgerschaften,
- die Entwicklung gemeinsamer regionaler Qualitätsstandards,
- die Vertretung gemeinsamer Interessen gegenüber der Kommune oder dem Kreis,
- sowie die Abstimmung der Aktivitäten aller handelnden Personen.
4 Der zuständige Stadt-/Kreisdechant kann der Steuerungsgruppe und dem Netzwerk als beratendes Mitglied angehören. 5 Die üblichen Genehmigungsverfahren der kirchlichen Institutionen bei Vertragsabschlüssen bleiben unberührt.