Erzbistum Köln
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Statut für die Unabhängige Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Köln

Vom 15. Mai 2024

ABl. EBK 2024, Nr. 86, S. 119

Hiermit errichte ich gemäß der Gemeinsamen Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland des unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Deutschen Bischofskonferenz vom 28. April 2020, von mir gegengezeichnet am 11. März 2021, eine Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und damit zusammenhängender Formen der Gewalt im Erzbistum Köln.
Ich verpflichte mich, eine Aufarbeitung zu gewährleisten, die unabhängig erfolgt und deren Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
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§ 1
Aufgaben der Unabhängigen Aufarbeitungskommission

( 1 ) Die Unabhängige Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Köln begleitet aktiv und kritisch durch Beratung und Monitoring die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs sowie die Aufarbeitung damit zusammenhängender Formen der Gewalt im Erzbistum Köln. Aufarbeitung umfasst alle Aufgaben, Ziele und Gesichtspunkte, die in der „Gemeinsamen Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland“ vom 28. April 2020 zur Aufarbeitung gezählt werden.
( 2 ) Beratung und Monitoring im Sinne von Absatz 1 beziehen sich auf alle Handlungsfelder sowie Verantwortungs- und Arbeitsebenen des Erzbistums Köln einschließlich formeller oder informeller Kontakte des Erzbistums Köln zu kirchlichen Organisationseinheiten, die vom Erzbistum Köln rechtlich unabhängig sind. Beratung und Monitoring umfassen insbesondere
  1. die Aufklärung struktureller Bedingungen, die insbesondere sexuellen Missbrauch, wie er in der Interventionsordnung des Erzbistums Köln in ihrer jeweils geltenden Fassung definiert ist, ermöglichen,
  2. die Untersuchung des Umgangs kirchlich Verantwortlicher mit Personen, die nach ihrem Bekunden insbesondere von sexuellem Missbrauch betroffen sind oder bei denen die Betroffenheit, etwa nach Entscheidungen staatlicher Gerichte, feststeht,
  3. die Untersuchung des Umgangs kirchlich Verantwortlicher mit Personen, gegen die sich insbesondere der Vorwurf sexuellen Missbrauchs richtet oder bei denen sich der Vorwurf, etwa nach Entscheidungen staatlicher Gerichte, bestätigt hat,
  4. die kritische Begleitung der Planung, Durchführung und Evaluation von Maßnahmen der Prävention sexuellen Missbrauchs,
  5. Gespräche insbesondere mit Betroffenen sowie Betroffeneninitiativen aus dem kirchlichen und dem nicht-kirchlichen Raum,
  6. die Durchführung von Veranstaltungen, die sich Themen der Aufarbeitung widmen,
  7. die Zusammenarbeit mit anderen diözesanen Aufarbeitungskommissionen, der bzw. dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs sowie mit sonstigen staatlichen, kirchlichen oder zivilgesellschaftlichen Stellen, die mit der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs sowie mit dessen Prävention befasst sind,
  8. die Information der Öffentlichkeit über die Aktivitäten der Kommission, auch durch Berichte (vgl. § 6),
  9. die Vorlage von Empfehlungen zur Verbesserung der Aufarbeitung, insbesondere zur Prävention; Gegenstand von Empfehlungen kann auch sein, dass historische, rechtliche, sozialwissenschaftliche oder an anderer fachlicher Expertise ausgerichtete Gutachten zu einzelnen Vorfällen, Zeiträumen, Handlungsfeldern sowie im kirchlichen Bereich tätigen Personen oder Organisationen erstellt werden. Die Kostenübernahme durch das Bistum für Gutachten orientiert sich an den üblichen bistumseigenen wirtschaftlichen Regelungen.
( 3 ) Das Erzbistum Köln unterstützt die Arbeit der Kommission unter Beachtung der rechtlichen Bestimmungen insbesondere zum Datenschutz und zur Verschwiegenheit. Soweit die Kommission um Informationen bittet, ist der Zugang zu ihnen zu gewähren, soweit keine zwingenden berechtigten Interessen anderer, konkret zu benennender Personen entgegenstehen. Wird der Zugang zur erbetenen Information verweigert, ist dies durch den Erzbischof schriftlich zu begründen.
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§ 2
Betroffene

Die Kommission bietet Betroffenen, mit denen sie Gespräche führt, die Begleitung durch Personen mit psychologischer oder fachlich vergleichbarer Expertise an. Die Kommission kann geeignete Personen benennen und in ihre Arbeit einbinden, die aufgrund ihrer beruflichen oder sonstigen Erfahrung besonders geeignet sind, Gespräche mit Betroffenen zu führen.
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§ 3
Zusammensetzung der Unabhängigen Aufarbeitungskommission

( 1 ) Die Kommission besteht aus sieben Mitgliedern:
  1. Zwei Personen aus dem Kreis der Betroffenen, die vom Betroffenenbeirat für die Arbeitsperiode ernannt werden. Das Erzbistum Köln darf den Betroffenenbeirat nicht beeinflussen.
  2. Zwei Personen, die von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen für die Arbeitsperiode ernannt werden. Sie dürfen nicht im kirchlichen Dienst des Erzbistums Köln stehen oder gestanden haben und/oder einem diözesanen Laiengremium angehören.
  3. Drei Personen, die vom Erzbischof ernannt werden. Sie dürfen nicht im kirchlichen Dienst des Erzbistums Köln stehen oder gestanden haben und/oder einem diözesanen Laiengremium angehören.
Die Mitglieder nach b) und c) müssen Expertinnen oder Experten aus der Wissenschaft, der Fachpraxis, der Justiz oder der öffentlichen Verwaltung sein. Sie sollen über persönliche oder fachliche Erfahrungen mit Prozessen der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in Institutionen verfügen. Es ist auf eine geschlechterplurale Besetzung zu achten.
Die Arbeitsperiode der Unabhängigen Aufarbeitungskommission beträgt drei Jahre.
( 2 ) Die Mitglieder der Kommission nach Abs. 1 c) werden vom Erzbischof für die Dauer von drei Jahren (Arbeitsperiode) berufen. Eine wiederholte Berufung für weitere drei Jahre ist möglich.
( 3 ) Die Mitgliedschaft erlischt:
  1. Mit Ablauf der Arbeitsperiode,
  2. durch schriftliche Rücktrittserklärung gegenüber dem Erzbischof und dem Betroffenenbeirat bzw. der Landesregierung Nordrhein-Westfalen,
  3. bei Wegfall der jeweiligen Berufungsvoraussetzungen nach Absatz 1 oder
  4. durch Tod.
Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, so wird das Amt nach den Regelungen des Absatzes 1 für den Rest der Arbeitsperiode neubesetzt.
( 3 ) Die Mitgliedschaft in der Kommission ist ein Ehrenamt. Die Mitglieder erhalten eine Aufwandsentschädigung sowie Reisekostenerstattung in Anlehnung an die im Erzbistum Köln geltenden Bestimmungen zur Reisekostenerstattung. Der Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung entsteht für jede Sitzung, die mindestens zwei Zeitstunden gedauert hat. Die Aufwandsentschädigung pro Sitzung beträgt 300 Euro. Die Gesamtsumme der Aufwandsentschädigungen pro Mitglied der Kommission soll 4.500 Euro jährlich nicht überschreiten.
( 4 ) Die Mitglieder verpflichten sich im Rahmen der rechtlichen Regelungen zur Verschwiegenheit und zum Schutz personenbezogener Daten, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Kommission bekannt werden. Diese Verpflichtung besteht auch nach ihrem Ausscheiden aus der Kommission fort. Bei Beendigung der Mitgliedschaft sind alle Dateien und Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Mitarbeit in der Kommission übergeben worden, innerhalb eines Monats an die Kommission zurückzugeben oder zu löschen. Dies ist von dem ausgeschiedenen Mitglied textlich zu bestätigen.
( 5 ) Bei Rücktritt eines Mitglieds während der Amtsperiode sind die übrigen Mitglieder der Kommission sowie der Erzbischof 14 Tage vor dem Rücktritt schriftlich zu informieren. Die Aufarbeitungskommission entscheidet über die Kommunikation des Rücktritts.
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§ 4
Unabhängigkeit

( 1 ) Die Mitglieder der Kommission sind unabhängig. Der Erzbischof oder von ihm beauftragte Personen sind insbesondere nicht berechtigt, den Mitgliedern der Kommission Weisungen hinsichtlich des Ortes und der Zeit der Tätigkeit oder der Art und Weise der Durchführung ihrer Tätigkeiten zu erteilen.
( 2 ) Mögliche Interessenkonflikte haben Mitglieder der Kommission frühzeitig offenzulegen und der bzw. dem Vorsitzenden mitzuteilen. Besteht ein Interessenkonflikt, darf das betreffende Mitglied der Kommission an der in Rede stehenden Entscheidung nicht mitwirken. Im Zweifelsfall wird ein Interessenkonflikt durch Beschluss der Kommission ohne Beteiligung des Betroffenen mit einfacher Mehrheit festgestellt. Die Kommission kann ein Mitglied mit Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder der Kommission auffordern, die Mitgliedschaft durch schriftliche Austrittserklärung zu beenden, wenn ein Interessenkonflikt eine dauerhafte vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht erwarten lässt.
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§ 5
Vorsitz

( 1 ) Die Kommission wählt aus ihrer Mitte eine Vorsitzende/einen Vorsitzenden sowie für den Fall ihrer/seiner Verhinderung eine Stellvertreterin/einen Stellvertreter. Möglich ist auch die Wahl einer Doppelspitze. Hat bei Wahlen im ersten Wahlgang keine Kandidatin bzw. kein Kandidat die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erreich, findet eine Stichwahl zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten statt, welche die beiden höchsten Stimmenzahlen erreicht haben.
( 2 ) Die/der Vorsitzende bzw. die Doppelspitze soll aufgrund ihrer/seiner beruflichen Erfahrung und gesellschaftlichen Stellung die Gewähr für eine weithin anerkannte Leitung der Kommission bieten. Die/der Vorsitzende bzw. die Doppelspitze soll nicht der Gruppe der Betroffenen angehören.
( 3 ) Die/der Vorsitzende bzw. die Doppelspitze leitet die Kommission.
( 4 ) Das Erzbistum Köln unterstützt die Tätigkeiten der Kommission organisatorisch unter Wahrung der Unabhängigkeit der Kommission durch die Einrichtung einer Geschäftsstelle. Sollte es hier zu Konflikten kommen, werden das Erzbistum Köln und die Unabhängige Aufarbeitungskommission gemeinsam eine Lösung finden, in der die Unabhängigkeit der Aufarbeitungskommission gewahrt wird.
( 5 ) Die/der Vorsitzende bzw. die Doppelspitze vertritt die Kommission nach außen, auch gegenüber den Medien. Sie/er stimmt sich insoweit mit der Kommission ab.
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§ 6
Berichtspflichten

( 1 ) Die Kommission berichtet in der Regel einmal jährlich schriftlich an den oder die Unabhängige/n Beauftragte/n für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs sowie an den Erzbischof. Spätestens einen Monat nach Ablauf einer Arbeitsperiode legt die Kommission einen Abschlussbericht vor. Auf Beschluss der Kommission sind die Berichte unter Beachtung persönlichkeits- und datenschutzrechtlicher Belange zu veröffentlichen. In jedem Fall ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse, etwa im Rahmen einer Pressemitteilung, zu veröffentlichen.
( 2 ) Die Kommission nimmt den jeweiligen Bericht mit Mehrheitsbeschluss zur Kenntnis. Auf Wunsch von Mitgliedern, die zum Inhalt des Berichtes eine andere Auffassung haben, wird die Ablehnung in dem Bericht zum Ausdruck gebracht.
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§ 7
Schriftform, Textform

Soweit die vorstehenden Regelungen ein Handeln in Schriftform verlangen, ist damit jedes Handeln in Textform gemeint, insbesondere durch elektronische Kommunikation, z.B. per E-Mail.
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§ 8
Änderungen des Statuts

Änderungen des Statuts bedürfen neben der des Erzbischofs der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder der Kommission.
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§ 9
Geschäftsordnung

Die Aufarbeitungskommission gibt sich eine Geschäftsordnung. Der Beschluss zur Annahme der Geschäftsordnung muss mit mindestens einer Zweidrittelmehrheit der Kommissionsmitglieder gefasst werden. Erfolgt kein zustimmender Beschluss, genügt für die Annahme die einfache Mehrheit.
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§ 10
Inkrafttreten

Das Statut für die Unabhängige Aufarbeitungskommission des Erzbistums Köln tritt rückwirkend zum 1. Juni 2022 in Kraft.